Geschlossene Gaststätten, Einbrüche im Export, Absage von Großveranstaltungen − die Corona-Krise trifft die heimische Braubranche besonders hart. Anlässlich des „Tag des Bieres“ erläutert Dr. Lothar Ebbertz, Hauptgeschäftsführer des Bayerischen Brauerbundes, die aktuelle Lage der Brauwirtschaft.
Frisch eingeschenkt: Herr Dr. Ebbertz, wie sehr schmerzt es aufgrund der aktuell geltenden Kontaktbeschränkungen den Tag des Bieres am 23. April nicht wie üblich feiern zu können?
Dr. Ebbertz: Den „Tag des Bieres“ begeht die deutsche Brauwirtschaft seit 1995. Die Feierlichkeiten im Umfeld des Geburtstages des Bayerischen Reinheitsgebotes sind mittlerweile eine feste Größe im Kalender vieler Brauereien, aber auch der Wirte. Die äußeren Bedingungen wären bei fast sommerlichem Wetter bestens gewesen. Dass die Feierlichkeiten zum „Tag des Bieres 2020 “ nun das Schicksal so vieler Feste teilen, die der Bekämpfung der Corona-Pandemie zum Opfer fallen, ist natürlich schade. Der „Tag des Bieres“ ist aber nur ein kleines Glied einer langen Kette von „bierigen Feierlichkeiten“, um die die Branche in diesem Jahr gebracht wird − mit enormem wirtschaftlichen Schaden für unsere Brauereien!
Frisch eingeschenkt: Wie sieht die aktuelle Lage in der bayerischen bzw. deutschen Braubranche aus? Welche Rückmeldungen bekommen Sie von den Brauereien zur Absatzentwicklung während der Krise?
Dr. Ebbertz: Bei der Beurteilung der Absatzentwicklung muss man die unterschiedlichen Absatzwege trennen. Der Bierabsatz über den Handel lief zu Beginn der Beschränkungen zufriedenstellend, auch hier nehmen wir zwischenzeitlich jedoch Stagnation bis leichten Rückgang wahr. Der Export, der für immerhin knapp ein Viertel des bayerischen Bierabsatzes steht, ist ebenso komplett eingebrochen wie mit Beginn der Ausgangsbeschränkungen im Inland der Gastronomieabsatz. Den Absatz über Volks- und Bierfeste/Dulten werden wir für diese Saison vermutlich völlig abschreiben müssen, nachdem „Großveranstaltungen“ (die bislang leider niemand greifbar definiert hat) bis Ende August untersagt sind. Im Mittel über die heimische Brauwirtschaft fehlen uns damit etwa 50 Prozent des Volumens. Einige Brauereien, für die die Absatzwege Gastronomie und Export überproportionale Bedeutung haben, trifft es noch deutlich härter.
Frisch eingeschenkt: Großveranstaltungen sind bis zum 31. August untersagt. Vergangenen Dienstag hat die Stadt München nun auch das diesjährige Oktoberfest abgesagt. Welche Bedeutung haben die Absagen dieser Volksfeste für die Brauereien?
Dr. Ebbertz: Die bayerischen Brauereien setzen rund eine Mio. hl Bier auf Festen unterschiedlichster Größe überall im Land ab. Die relative Abhängigkeit der Brauereien von diesen Festen ist natürlich von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich. Aber gerade kleinere Brauereien, die durch ihre persönlichen Kontakte zur örtlichen Freiwilligen Feuerwehr, zu Musik-, Trachten- oder Burschenvereinen kleinere Feste in großer Zahl beliefern, denen selbstverständlich der Bierausschank beim örtlichen Volksfest oder beim Maibaumaufstellen übertragen wird, leiden unter der langfristigen Absage aller Feste überdurchschnittlich.
Frisch eingeschenkt: Können die Absatzverluste in der Gastronomie und im Außer-Haus-Markt überhaupt durch den Absatz im Getränkehandel aufgefangen werden?
Dr. Ebbertz: Zwar haben wir zu Beginn der Ausgangsbeschränkungen eine leichte positive Entwicklung des Bierabsatzes im Handel feststellen können, dies wird jedoch eher einer gewissen Bevorratung geschuldet gewesen sein als einem wirklichen Mehrkonsum daheim. Die Ausgangsbeschränkungen treffen ja auch Grillfeste mit Nachbarn oder Familienfeiern im eigenen Garten, die derzeit nicht zulässig sind. Natürlich würden wir uns wünschen, dass das ein oder andere Bier, das man bislang am Stammtisch, im Biergarten oder in der Wirtschaft getrunken hat, nun daheim getrunken wird. An eine Kompensation des Außer-Haus-Konsums durch den Biergenuss daheim ist aber nicht einmal in Ansätzen zu denken. Bayerns Brauer brauchen jetzt dringend und zeitnah eine Wiedereröffnung der Gastronomie. Dass ihnen die Politik hier bislang keinerlei verlässliche Perspektiven zu bieten vermag, empfinden wir als enttäuschend.
Frisch eingeschenkt: Der April wartete bislang mit viel Sonnenschein und warmen Temperaturen, aber auch zu wenig Niederschlägen und Trockenheit auf. Was bedeutet dies für die Rohstoffversorgung?
Dr. Ebbertz: Das fast schon sommerliche Wetter im April wäre natürlich für den Bierabsatz gerade im Umfeld der Osterfeiertage ideal gewesen. Die damit einhergehende Trockenheit jedoch ist mit Blick auf die Sicherstellung unserer Rohstoffversorgung nicht unproblematisch. Bei Braugerste beobachten wir erste sichtbare Trockenschäden, die allerdings durch Niederschläge in den nächsten Tagen noch „heilbar“ wären. Das Hopfenwachstum befindet sich aktuell noch in einem so frühen Stadium, dass der Hopfen durch die Trockenheit noch keinen Schaden genommen hat. Er braucht vor allem in den Sommermonaten reichlich Wasser, auf das wir hoffen.
Frisch eingeschenkt: Wird 2020 ein rabenschwarzes Jahr für die Brauereien oder lässt es sich noch retten?
Dr. Ebbertz: Die Brauereien werden im Jahr 2020 einen in der Nachkriegszeit nicht da gewesenen Rückschlag verkraften müssen. Im Gegensatz zu anderen Konsumgütern gibt es bei den Brauereien wie auch im Gastgewerbe keinen „Nachholeffekt“. Was im März, April und Mai nicht getrunken wurde, wird niemand im Verlauf des Sommers oder des Herbstes zusätzlich trinken. Wir können nur darauf hoffen, dass mit sinkenden Infektionszahlen das Gastgewerbe eine Wiederbelebung erfährt, und dass rasch ein Impfstoff entwickelt wird, der dem „Corona-Spuk“ ein möglichst baldiges Ende beschert, so dass es auch mit dem heimischen Braugewerbe wieder aufwärts gehen kann. In der Zwischenzeit aber ist die Brauwirtschaft auf staatliche Hilfe angewiesen, die sich nicht in Stundungen und Darlehen erschöpft, die das derzeit herrschende Liquiditätsproblem lediglich verschieben. Hier hoffen wir auf einen „Rettungsschirm“, um die einzigartige Struktur der heimischen Brauwirtschaft mit den vielen traditionsreichen mittelständischen Familienbetrieben unbeschadet durch diese schwierigen Wochen und Monate zu führen.