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„Der Trend zur Regionalität wird durch die Pandemie sicher verstärkt“ - Kurzinterview mit Stefan Stang

Das Verbot von Großveranstaltungen wurde jüngst bis Ende Oktober verlängert. Die für viele regional operierende Brauereien wichtige Volksfestsaison entfällt folglich in diesem Jahr. Im Interview mit „Frisch eingeschenkt“ schildert Stefan Stang, Hauptgeschäftsführer des Verbands Private Brauereien Bayern, die aktuelle Lage der Privatbrauereien und erläutert dabei, welche Rolle die regionale Verbundenheit von Brauereien spielt.

Frisch eingeschenkt: Herr Stang, die Corona-Krise trifft die deutsche Braubranche besonders hart. Welche Bedeutung und Folgen hatte der Shutdown für die überwiegend regional operierenden Privatbrauereien?

Stefan Stang: Nach dem plötzlichen Shutdown gab es von Beginn an – bei allem Verständnis für die Schutzmaßnahmen – natürlich auch Unsicherheiten und Zukunftsangst. Vor allem die Brauereien mit Absatzschwerpunkten im Bereich Gastronomie, Feste und Export waren und sind massiv von den Folgen der Pandemie betroffen. Zu Beginn der Lockerungsmaßnahmen wurden Brauereien und Gastronomie immer wieder vertröstet und auch die staatliche finanzielle Unterstützung konnte nicht über Resignation und Perspektivlosigkeit wegen zu dieser Zeit noch nicht erfolgter Lockerungsmaßnahmen hinwegtäuschen. Im Bereich Handel sieht das etwas besser aus. Das Flaschenbier läuft in allen Regionen Bayerns noch ganz gut und Biere aus kleinen regionalen Brauereien werden sehr gut – und auch ohne Rabattaktionen – verkauft. Diese erzielten Zuwächse auf Handelsseite kompensieren Gastro- und Festverluste jedoch nicht.

 

„Wenn ein Begriff diese Krise geprägt hat, ist es der Begriff Solidarität.“

 

Frisch eingeschenkt: Welche Rolle spielt die regionale Verwurzelung vieler Brauereien in der Corona-Krise – Stichwort: Zusammenhalt in der Krise?

Stang: Während der Corona-Pandemie wurde eine große Stärke der Privatbrauereien, die regionale Verwurzelung und Verantwortung, wieder deutlich. Wenn ein Begriff diese Krise geprägt hat, ist es der Begriff Solidarität: Solidarität der Konsumenten mit ihren regionalen Brauereien und Gastronomen in Form von erfolgreichen To-Go-Konzepten, Belieferungskonzepten und Treueaktionen; aber auch die Solidarität der Brauereien mit ihren Lieferanten und Wirten, die mit Hilfe von Pachtstundungen und -erlässen unterstützt wurden. Und wenn erstmals in Flaschen abgefüllte Festbiere von abgesagten Volksfesten oder Kirchweihen sofort reißenden Absatz finden, erkennt man die emotionale Bindung der Kunden an ihre Heimatbrauerei. Der seit ein paar Jahren erkennbare Trend zu regionalen Biermarken wird nach der Corona-Pandemie eher noch verstärkt werden.  

Frisch eingeschenkt: Lässt sich die derzeitige Lage der familiengeführten Brauereien pauschal beschreiben oder ist eine Einzelbetrachtung notwendig?

Stang: Der von einzelnen Branchenvertretern angestimmte Abgesang auf den Mittelstand ist wieder verstummt. Der Mittelstand ist wie die gesamte Branche natürlich gebeutelt, aber stabiler als gedacht. Der Großteil unserer Brauereien kommt den Umständen entsprechend mehr oder weniger gut über die Runden, die familiären Strukturen sind hier oft hilfreich. Eine pauschale Beurteilung der aktuellen Situation ist nicht möglich, es gilt die unterschiedliche Vertriebsstruktur genauso zu betrachten wie die Bedeutung der jeweiligen Privatbrauerei in der Region. Authentizität und Glaubwürdigkeit sind hier wichtige Erfolgsfaktoren.

Frisch eingeschenkt: Die Gastronomie hat mittlerweile deutschlandweit wieder geöffnet, Großveranstaltungen sind bis Ende Oktober abgesagt. Wie gehen die Privatbrauer mit dieser neuen Situation um? Viele mittelständische Brauereien setzen unternehmerisch ja gerade auf die Volksfestsaison.

Stang: Die Gastronomieöffnung war ein spätes und in erster Linie psychologisch wichtiges Signal für die Branche. Mehr aber auch nicht, denn es zeigt sich leider nach wie vor noch nicht die ersehnte Umsatzerwartung. Das hängt in erster Linie mit der noch bestehenden Unsicherheit der Konsumenten zusammen. Darüber hinaus sorgen hohe bürokratische Hürden, unattraktive Rahmenbedingungen und den Hygienekonzepten geschuldete reduzierte Bewirtungsflächen und damit zu hohe Personalkosten dafür, dass manche Gastronomen ihre Betriebe wieder schließen oder bisher gar nicht geöffnet haben. Die Gastronomie kämpft auch Mitte Juni noch immer ums Überleben. Es geht nun darum, den eingeschlagenen Weg der stufenweisen Lockerungen jetzt – bei gleichbleibender oder verbesserter Infektionslage – schneller zu gehen und mehr Lockerungen in der Gastronomie, v.a. auch im Bereich Biergarten zuzulassen.

Die Volksfestsaison ist nach der aktuellen Verlängerung des Verbots von Großveranstaltungen bis Ende Oktober nun definitiv für beendet erklärt worden. Vielleicht gibt es Möglichkeiten kleinere Gartenfeste vor Ort zu organisieren. Wichtig dafür ist immer die Vorlage eines Hygienekonzeptes (analog Hygienekonzept Biergarten) und die Möglichkeit der Rückverfolgbarkeit von möglichen Infektionen.

 

„Meiner Meinung nach gehen regionale Brauereien nach einer gewissen Durststrecke mittelfristig gestärkt aus der Krise hervor.“

 

Frisch eingeschenkt: Ihre persönliche Einschätzung: Wie gehen die Privatbrauereien aus der Corona-Krise hervor?

Stang: Ich bin da optimistisch, getreu dem Motto „Selten ein Schaden, bei dem nicht ein Nutzen die Folge ist“. Meiner Meinung nach gehen regionale Brauereien nach einer gewissen Durststrecke mittelfristig gestärkt aus der Krise hervor. Die Corona-Pandemie hat bereits Umdenkprozesse auch beim Einkaufs- und Konsumverhalten gerade im Bereich Lebensmittel ausgelöst. Die Zeit für Veränderungen ist eingeläutet, der Trend zur Regionalität wird durch die Pandemie sicher verstärkt, und das ist gut für unsere regionalen Brauereien.

Frisch eingeschenkt: Was benötigen die mittelständischen Privatbrauereien für den Neustart nach Krise?

Stang: Die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen müssen passen. Es gibt dabei einige Themen, wie Stärkung des Mehrwegpfands, Gerechtigkeit bei Pfandrückstellungen und Wiederherstellung der Biersteuermengenstaffel, die wir weiterverfolgen werden. Ein wichtiger Aspekt ist die Chancengleichheit von Mittelstand und Großbrauereien. Rabattschlachten mit Bieren der national bekannten Marken sind da nicht gerade positiv zu bewerten. Gerade mittelständische Brauereien brauchen jetzt noch mehr Beratung und Unterstützung. Mit unseren Themen und unserem kompetenten Team sind wir als Verband in dieser Hinsicht sehr gut aufgestellt.


Stefan Stang, Hauptgeschäftsführer Private Brauereien Bayern